Stellungnahme der Initiative „Waldkritik“ zum FSC Bericht nach unserer Beschwerde

Die Stellungnahme erfolgt in Form eines offenen Leserbriefs, der aber auch an alle Schönbuchanrainergemeinden gesendet wurde!

Wir wenden uns in der Hoffnung an Sie, dass Sie über folgenden Sachverhalt berichten mögen:
Die Initiativgruppe Waldkritik hat bei dem Forstzertifizierer FSC  Beschwerde eingelegt. Anlass hierzu sind schwere Bodenschäden die in Folge fehlgeleiteter Einsätze der Forstverwaltung bei der Holzernte und beim Holztransport entstehen oder entstanden sind. Örtlicher Brennpunkt für den vorliegenden Sachverhalt ist der Schönbuch, ein Waldgebiet im Mittleren Neckarraum- Erholungsraum für fünf Millionen Menschen, NATURA 2000 Schutzgebiet, Wald des Jahres 2014- wenigstens 2000 ha Waldfläche sind langfristig oder für immer geschädigt.  Eine Übersicht über die Schäden und deren Klassifizierung gibt es bisher nicht.

Das Waldgesetz Baden-Württembergs verpflichtet  in § 14 zum Schutz des Bodens und zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit.

Die Initiativgruppe Waldkritik hat im Sommer 2014 eine  Beschwerde bei der LGA Intercert eingereicht und  um die Überprüfung von Schäden, die 2013/2014, durch Holzernte- und Holzabfuhrmaßnahmen im Verwaltungsbereich der Unteren Forstbehörde Tübingen entstanden sind gebeten.  Mit der Beschwerde verfolgt die Initiative das Ziel, sowohl die Zertifizierungskonformität der Waldbewirtschaftung als auch die Prinzipien des FSC auf den Prüfstand zu stellen. Es soll deutlich werden, dass Befahrungsschäden durch die Holzernte nicht ausreichend in den Richtlinien des FSC Standards gewürdigt werden, diese aber mit konkret prüfbaren Grenzwerten zu untersetzen, dringend vonnöten ist.

Der Bericht zur Prüfung der Beschwerde ist nun veröffentlicht.
Siehe hier  oder bei uns im Archiv hier

Zum Hergang:
Seit Jahren beobachten wir im Wald des Schönbuchs die starken Schäden an Böden und Wegen, die durch die Einsätze der Forstverwaltung  (ForstBW)  bei der Holzernte und beim Holztransport entstanden sind bzw. weiter entstehen. Informationen und Bilder zu den Schäden haben wir auf unsere Homepage ( www.waldkritik.de ) eingestellt.

Trotz häufiger Versuche ist es uns bisher nicht gelungen ForstBW dahingehend zu bewegen, vorsorgende Maßnahmen einzuleiten, um weitere Schäden in Zukunft wesentlich zu reduzieren. Ein Beispiel dafür ist unsere Tischvorlage zur Gesprächsrunde bei ForstBW am 17.10.2014 ( https://waldkritik.de/?p=337 )

Darüber hinaus haben auf das von FSC (Forest Stewardship Council) initiierte Prüfungsverfahren gesetzt. Für das Audit am 11.12.2014 dokumentierten wir vier wesentliche Schadensbeispiele mit Angabe der Schadorte und haben die Verstöße gegen die FSC-Richtlinien detailliert herausgearbeitet. Dieses Dokument wurde FSC zugestellt. ( https://waldkritik.de/?p=419 )

Nach den Statuten von FSC  hätte der Zertifizierer einen Monat vor Beginn der  vor-Ort-Prüfung über den Ablauf informieren müssen. Dies ist trotz mehrfacher Anfrage nicht geschehen. Kurz vor Durchführung des Audit mussten wir feststellen, dass unsere Mitwirkung bei dem Audit durch umfangreiche und unzumutbare Restriktionen unmöglich gemacht wurde. Die Regeln zur Durchführung erhielten wir drei Tage vor Termin in Englisch(!). Wir waren nicht bereit zu akzeptieren, dass bei der Audit-durchführung nur eine passive Teilnahme zugelassen wurde, fotografieren untersagt ist und  keine öffentlichen Äußerungen nach Abschluss des Verfahrens erlaubt werden. Wir haben unsere Absage ausführlich begründet und diese dem Auditor und dem FSC zugestellt.
( https://waldkritik.de/?p=400 )

Nach mehr als 4 Monaten liegt der Bericht der LGA Intercert vor. Nach Auskunft des Waldreferenten beim FSC hätte der Bericht den Statuten zufolge nach einem Monat, nach Auskunft des Auditors nach 90 Tagen vorliegen müssen. Über den Stand der Bearbeitung, den voraussichtlichen Veröffentlichungstermin hat man uns zu keiner Zeit verständigt. Der Bericht wurde allein Forst BW zur Abstimmung  vorgelegt. Erst mit der Veröffentlichung des Berichts am 30.04.2015 konnten wir diesen erstmals einsehen.
Der Auditor gelangt auf der Seite 12 zu folgendem Ergebnis:

…Die Flächen hatten sich auf dem natürlichen Wege begrünt, ohne dauerhafte Bodenschäden visuell aufzuzeigen.

…Auf Grund des Bildes zum Zeitpunkt des Audits, unter Berücksichtigung mehrerer Beispiele in diesem und in anderen Betriebsteilen, hat das Audit keine Abweichung vom Standard festgestellt

Unsere Erfahrungen fassen wir wie folgend zusammenfassen:

– das Verfahren selbst ist direktiv. Der Anspruch wirklicher Beteiligung und Transparenz wird nicht wie ursprünglich erwartet erfüllt, Partizipation kommt nicht zu Stande.

– der Bodenschutz wird durch FSC nicht durch Schadens- oder Toleranzgrenzwerte untersetzt. Der Beurteilungsmaßstab des Normgebers für Standardverstöße bleibt unklar,  für die Auditoren scheint es  kein objektives Ansprache- und Beurteilungssystem (Kriterien, Indikatoren) für Technikfolgeschäden  zu geben. Das wirkt sich zwangsläufig auf das Verfahren und auf den Ablauf des Verfahrens aus.

– die Feststellung der Schäden erfolgt durch die Auditoren allein optisch(!). Zur Feststellung der  Schäden werden keine  physikalischen Prüfmethoden, z.B. der Lagerungsdichte, des Porenvolumens, Bestimmung der Feinwurzeldichte herangezogen.   Warum gibt es bei FSC keine Metapher, keine  Standards zur Identifikation der Schäden?

– die Forstverwaltung sucht auch als Kontrollierter den Prozess zu beeinflussen. Die vorliegenden  Schäden werden offenbar an der Rückegassenkonzeption von ForstBW gemessen.  Im Bericht wer-
den die an den Schadorten vorliegenden 40 cm und mehr Spurtiefe offenkundig toleriert. Dies dient  allein maschinentechnischen  Überlegungen, d. h. Befahrung bis zur Grenze der Bodenfreiheit der
der Rückefahrzeuge und dem Ziel, selbst unter widrigsten Bedingungen und der bewussten Inkaufnahme von schwersten Schäden, Holz zu ernten und Holz zu transportieren. Der Schutz der Böden,  den das Gesetz vorgibt, wird dabei nicht beachtet!

– das Verfahren ist zu bürokratisch und daher für einfache Bürger bewusst abschreckend – es müsste  unangekündigt stattfinden, müsste  zügig und um Bodenschäden wirklich feststellen zu können mit  Indikatoren und Kriterien versehen werden.

– die empfundene Nähe von Forstbetrieb (Kontrollierter) und Auditor (Kontrolleur) macht eine unabhängige Situation nicht glaubhaft. Zwischen beiden besteht auch ein geschäftliches Interesse, der Forstbetrieb kann den Kontrolleur wählen und bezahlen, den er für seine Zielsetzungen am besten   geeignet findet.  Das zu ändern wurde international schon oft versucht, bisher jedoch ohne jeglichen Erfolg.

– die Funktionäre der an der Waldbewirtschaftung beteiligten Verbände, verhalten sich hinsichtlich  der dargestellten und ihnen bekannten Schäden erstaunlich moderat. Vertreter der  Politik werten  das Rückegassenkonzept von ForstBW  gar als großen Erfolg. Indikatoren und Kriterien zur Beurteilung von Bodenschäden scheinen nicht bekannt zu sein.  Wird die Festlegung von Standards bewusst  ignoriert? Dabei fordert das Waldgesetz Baden-Württembergs eindeutig den Schutz der Böden und die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit. Warum wird gegen das Gesetz  und den  Schutzgedanken wird fortlaufend verstoßen?

– die Nutzung der FSC Marke suggeriert dem Verbraucher eine nachhaltige Waldbewirtschaftung. Die dramatische Situation der Böden wird ausgeblendet und der Zustand der Böden in der Öffentlichkeit verschwiegen.

Während die Forstwirtschaft mit dem stereotypen Einsatz  der Maschinen den Wald von einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung ausnimmt und bei der Holzernte Waldböden in der Größenordnung von wenigstens 20 Prozent der Waldfläche, wenigstens 22 000 qkm in Deutschland betroffen sind, wird der gesetzlich Schutz der Böden und der Bodenfruchtbarkeit mit  der Begründung von Systemzwängen unterlaufen, die schweren Schäden im Bereich der Rückegassen rechtfertige sich, weil der Rest des Waldes, man folge der Formulierung empathisch, geschützt sei- die Schädigung des Bodens in den Rückegassen müsse(?) hingenommen werden,  Widerspruch erscheint undenkbar…
Die Folgen dieser Schäden für den Waldorganismus wirken ernsthaft bedrohlich, in ihrem tatsächlichen Ausmaß lassen sich diese nicht wirklich ermessen. Die Forstverwaltung geht große Risiken ein. Wer übernimmt die Verantwortung?

Bodenschutz im Schönbuch
Die Waldbewirtschaftung im Schönbuch bedarf dringend einer Bodenschutzvereinbarung. In einer solchen Vereinbarung müssen Grenzwerte für die Befahrung festgelegt werden. Vorsorgender Bodenschutz soll ein standortangepasstes Verhalten sanktionieren. Dazu  kann das Brandenburger Modell zum vorsorgenden Bodenschutz beim Einsatz von Holzerntetechnik als Beispiel dienen. Offenbar passen die Überlegungen  die in deisem angestellt werden trotz gegenteiliger Beteuerungen nicht in das Konzept von Forst BW. Deshalb hat die Initiative Waldkritik in Zusammenarbeit mit Bodenkundlern damit begonnen ein Bodenschutzkonzept für den Schönbuch zu entwerfen.

Alle Rückegassen müssen dokumentiert werden. Der Schädigungsgrad der Böden soll an Merkmalen differenziert  dargestellt werden. Es sind notwendige Sanierungsüberlegungen anzustellen und ökonomisch zu bilanzieren. Ein Kostenüberblick ist anzugeben. Letztendlich trägt der Waldeigentümer (der Bürger) die Folge- und Sanierungskosten unpfleglicher Holzernte.
Eine unabhängige Fachgruppe soll die Einhaltung der Bodenschutzvereinbarung überwachen. Im Falle von gemeldeten Schäden kann die Arbeit im Wald durch die Fachgruppe mit augenblicklicher Wirkung unterbunden werden. Die Sanierung der Schäden geht zu Lasten des Unternehmers. Es ist überhaupt zu prüfen, inwieweit die geografische Lage des Schönbuchs, die Besiedlungs- und Nutzungsdichte und hieraus  die Erholungsfunktion und die ökologischen Notwendigkeiten, in einem interdisziplinär erarbeiteten  Bewirtschaftungsmodell für den Schönbuch neu angelegt werden müssen.
Dazu soll die Bevölkerung selbstverständlich befragt werden.  Die regionalen Hochschulen könnten in den Entwicklungsprozess  einbezogen, vorliegende Untersuchungen, Überlegungen die an anderen Stellen angestellt  werden oder wurden, die den Landschaftsraum betreffen, wären notwendig einzubeziehen. Eine Lösung dieser vielfältigen Aufgabe ist nicht allein durch die Forstverwaltung zu bewerkstelligen.

Die UN hat für das Jahr 2015 das Jahr des Bodens ausgerufen.

Eine Lösung wäre vielleicht, einen Waldentwicklungsprozess  unter der Leitung eines in der Sache von allen Beteiligten akzeptierten und sachlich kompetenten Mediators anzuregen.

Bitte sehen Sie dazu auch unsere Webseite: www.waldkritik.de

INITIATIVE WALDKRITIK
Richard Koch
Dr. Andreas Luther
Harald Kunz

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